Montag, 31. März 2014

Sokrates beim Feldzug

Dort nun war er zuvörderst in der Ertragung aller Strapazen nicht bloß mir, sondern auch allen andern überlegen.

So, wenn uns irgendwo, wie es im Felde zu geschehen pflegt, die Zufuhr abgeschnitten war, vermochte bei weitem niemand so gut als er, den Mangel an Speise auszuhalten. 

Wenn dagegen reichliche Lebensmittel vorhanden waren, so verstand er wiederum am besten zu genießen, wie in allen andern Stücken, so namentlich auch darin, daß er, ohne alle eigentliche Neigung zum Zechen, trotzdem, wenn er dies mitzumachen genötigt ward, es allen darin zuvortat, und, was das Wunderbarste ist, kein Mensch hat jemals den Sokrates betrunken gesehen. 

Wiederum die Beschwerden des Winters – und es war damals ein sehr rauher Winter – ertrug er nicht bloß im übrigen mit der wunderbarsten Leichtigkeit: sondern eines Tages, als die Kälte gerade am stärksten war, wo sich alle entweder gar nicht hinauswagten – da ging er dagegen mit derselben Bekleidung hinaus, wie er sie auch sonst zu tragen pflegte, und schritt barfuß leichter über den gefrorenen Erdboden hin als die andern mit ihren Sohlen, und die Krieger sahen ihn scheel an, als wollte er sich über sie erheben.

...so in voller Ruhe Freund und Feind im Auge zu behalten, so daß es einem jeden auch schon aus der Ferne klar werden mußte, er werde einen heißen Kampf zu bestehen haben, wenn er diesen Mann angreifen wollte. Deshalb kam er denn auch unversehrt davon samt seinem Gefährten.

Sowie aber dieser Mann ist mit seinen Seltsamkeiten, sowohl an sich selbst, als in seinen Reden, möchte man so leicht keinen ähnlichen finden, weder unter den Zeitgenossen, noch unter den Altvorderen, – man müßte ihn denn, wie ich es getan habe, mit keinem Menschen, sondern mit Satyrn und Silenen vergleichen, ihn selbst sowie seine Reden.

Alkibiades in Platons Symposium